Eine Alternative für Kreuzheben zu finden, ist gar nicht so schwer und oftmals von Vorteil.
Ich erwähne gerne und ungefragt, dass ich seit mehr als einem Vierteljahrhundert fast verletzungsfrei trainiere. Fast. Die einzig bleibende Verletzung habe ich mir beim Deadlift geholt.
Deswegen ist die Übung nicht gleich gefährlich, aber es lassen sich leicht zum Kreuzheben alternative Übungen finden, mit denen man ohne Risiko das gleiche Ziel erreicht.
Ist Kreuzheben gefährlich?
Bereits vor einiger Zeit schockierte der Strongman Robert Oberst im Joe Rogan Podcast mit der Aussage, dass man Kreuzheben doch lieber bleiben lassen sollte.
Genau genommen sagte er “Wenn du Kreuzheben machst, um besser im Kreuzheben zu werden, dann ist das o.k., wenn nicht, lass es lieber bleiben (don’t f***in do it). Das Verhältnis von (Trainings-) Gewinn zu (Verletzungs-) Risiko ist ein Witz!”
Das muss man auch erst mal sacken lassen. Hat man doch in den vergangenen 10 Jahren, spätestens seit Mark Rippetoe’s “Starting Strength”, allenthalben gehört, dass die großen Drei die wichtigsten Übungen beim Krafttraining sind:
Und nun erzählt einer, dem man Kompetenz wohl kaum absprechen kann, dass höchstens Profis angemessen vom Kreuzheben profitieren. Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich.
Wie in so vielen Fällen, ist die Wahrheit ein wenig komplizierter.
Als ich mir meine Verletzung durch das Kreuzheben holte, war ich immerhin schon 8 Jahre im Training, aber relativ unerfahren, was diese spezielle Übung angeht. Einfach falsch gehoben? Wahrscheinlich.
Heute kann ich nicht nur selbst beschwerdefrei trainieren, wenn ich keine Dummheiten mache, sondern habe die Übung auch schon an hunderte von Menschen weitergegeben, ohne jemals von negativen Konsequenzen gehört zu haben.
Dass die Übung generell gefährlich sei, kann ich also aus meiner Erfahrung nicht bestätigen.
Aber ich weiß, dass Kreuzheben, neben Kniebeugen die anspruchsvollste Kraftübung überhaupt ist. Bei keiner anderen Übung bewegt man so viel externes Gewicht über mehrere Gelenke, keine andere Übung erfordert so viel Körperspannung und Körpergefühl.
Da kann man sich durchaus fragen, ob das Kreuzheben die investierte Mühe wert ist. Hier würde ich Robert Oberst recht geben: für viele wahrscheinlich nicht.
Ist Kreuzheben alternativlos? Wohl kaum!
Wer so etwas sagt, denkt zu schmal. Es gibt immer eine Alternative, Kreuzheben ist da keine Ausnahme.
Zunächst möchte ich mit dem verbreiteten Mythos aufräumen, dass der Deadlift in irgendeiner Weise funktional wäre und auf den Alltag vorbereitet.
Was das Zusammenspiel der Muskeln angeht, sicher. Aber selbst mittelmäßige Athleten wie ich können sehr schnell über 200 Kilo liften und wer nicht als professioneller Wagenheber arbeitet, wird solche Belastungen im Alltag wohl kaum wiederfinden.
Auch von anatomisch korrektem Heben kann hier keine Rede sein. Wann immer möglich würde ich ein schweres Gewicht nahe an meinem Körperschwerpunkt heben und nicht vor meinen Knien vorbeiführen. Das ist mit einer Langhantelstange aber nicht möglich.
Durchforstet man andere Seiten zu dem Thema, wird die Aussage, warum es keine Alternative zum Kreuzheben gibt, ziemlich kreativ begründet. Da wird von einer “Vielschichtigkeit” fabuliert und angemahnt, dass anderen Übungen “der Umfang” fehle.
Schön, damit hätte man dann aber sämtliche Isolationsübungen, einschließlich Bizepscurls, Kabelziehen, etc. aus dem Boot gekickt. Sorry, mit so flacher Argumentation sollte man sich auch als Einsteiger nicht abspeisen lassen.
Sind Ersatzübungen fürs Kreuzheben zeitaufwändiger?
Zunächst mal ja. Es ist unbestritten, dass der Deadlift eine ganze Reihe von Muskeln aktiviert, die mit mehreren Alternativübungen trainiert werden müssen.
Dann wiederum ist vieles davon schon im Trainingsplan vorhanden. Einigermaßen erfahrene Sportler werden Übungen für Oberschenkel, oberen Rücken und hoffentlich auch den unteren Rücken im Programm haben. Kreuzheben könnte hier eine wenig zielführende Zusatzbelastung sein.
Darüber hinaus ist schweres Kreuzheben eben eine komplexe Übung, die nicht nur mehrere Aufwärmsätze und Techniktraining erfordert, sondern auch eine hohe Gesamtenergieleistung vom Körper einfordert.
Entsprechend länger sind die Pausen zwischen den Sätzen und eventuell sogar die Intervalle zwischen den Trainingseinheiten.
Vor diesem Hintergrund könnte man sich fragen, wie groß die Zeitersparnis durch Kreuzheben wirklich ist.
Die besten Alternativen fürs Kreuzheben
Um fürs Kreuzheben Ersatz zu finden, müssen wir zunächst wissen, welche Muskeln involviert sind:
- Quadrizeps
- Glutaeus
- Adduktoren
- Ischiocrurale
- Latissimus
- Trapez
- Rhomboiden
- Rückenstrecker
- Bauchmuskeln
Hieraus lassen sich verschiedene Ansätze für das Training entwickeln.
Kreuzheben Alternative 1: Ursprungsübung abwandeln
Der Rack Pull verkürzt die Bewegungsamplitude des Deadlift um genau den Teil, der potenziell die größten Gefahren birgt. Anstatt vom Boden, wird die Stange von einer Erhöhung kurz unterhalb der Knie aufgenommen.
In dieser Position sollte es auch ungeübten Sportlern möglich sein, die Wirbelsäule lordosiert zu halten, zudem bewegen wir das Gewicht von Anfang an nahe am Körper.
Da hier im Zweifelsfall sogar höhere Gewichte als beim Standard-Deadlift bewegt werden können, entsteht kein Nachteil im Übungseffekt auf die beteiligten Muskeln. Lediglich die Last auf den unteren Anteil des Rückenstreckers wird angemessen reduziert.
Man könnte sich also mit einiger Berechtigung fragen, ob der Rack Pull nicht sogar die bessere Alternative für alle ist, die nicht unbedingt ihre Maximalleistung im Kreuzheben hochschrauben wollen.
Kreuzheben Alternative 2: Unterstützungübungen ausführen
Das Rumänische Kreuzheben geht einen anderen Weg und nimmt den Beinstrecker, auch Teile der Rückenmuskulatur, weitgehend aus der Gleichung. Dafür haben wir nach wie vor einen guten Trainingseffekt auf den Gluteus und sehr starke Beanspruchung auf Beinbeuger und den unteren Rücken.
Allerdings birgt die Übung nicht notwendigerweise das gleiche Risiko für diesen neuralgischen Punkt. Zum einen, weil das Gewicht beim Rumänischen Kreuzheben zumeist deutlich geringer ist.
Zum anderen, weil weniger Gelenke beteiligt sind, wodurch der Bewegungsablauf einfacher wird und nicht das gleiche Maß an Fokussierung vom Trainierenden verlangt wird.
Ein weiterer Vorteil gegenüber der Standard-Variante: Die Oberschenkel lassen sich bei Bedarf am selben Tag mit Kniebeugen trainieren.
Wer mal versucht hat schweres Kreuzheben zusammen mit schweren Kniebeugen am selben Trainingstag mit einigen Sätzen zu bewältigen, weiß, wovon ich schreibe.
Kreuzheben Alternative 3: Isolierte Übungen ausführen
Selbstverständlich kann man auf das Kreuzheben auch komplett verzichten, ohne Nachteile in Kraft oder Muskelmasse in Kauf zu nehmen.
Jeder, der Gegenteiliges behauptet, müsste erklären, warum isolierte Übungen weniger Erfolg bringen sollten als eine Compound-Übung wie Kreuzheben. Immerhin sind isolierte Übungen nicht nur integraler Bestandteil des Bodybuilding, sondern werden unterstützend auch von Strongman-Athleten eingesetzt.
Ein klares Plus der isolierten Übungen liegt, neben dem zumeist geringeren Risiko, ganz klar in der Fokussierung auf einen Muskel oder eine Muskelgruppe.
Wenn beim Kreuzheben der Satz abgebrochen werden muss, weil der Lendenwirbelanteil des Rückenstreckers an seinem Limit angekommen ist, dann sind Latissimus und Quadrizeps mutmaßlich noch längst nicht am Ende.
Hingegen können isolierte Übungen den jeweiligen Zielmuskel an seine Grenzen bringen, ohne das komplette System zu belasten. Notwendig als Ersatz fürs Kreuzheben wären zum Beispiel:
- Latzug / Klimmzüge
- Reverse Flys / Shrugs
- Kniebeuge / Beinpresse
- Crunches
- Hyperextensions
- Beinbeuger
- Beinstrecker
Der Nachteil dürfte ebenfalls klar auf der Hand liegen, der Zeitaufwand wird deutlich höher. Wie bereits erwähnt, sollte man aber genau überlegen, welche dieser Übungen nicht ohnehin schon Teil der Trainingsroutine ist.
Die meisten Trainingspläne, die ich kenne, involvieren diese Übungen in der einen oder anderen Weise. In diesem Fall muss das Fehlen des Kreuzheben kein Nachteil sein und könnte den Muskeln sogar eine notwendige Ruhepause verschaffen.
Wie gesagt, schweres Kreuzheben fordert viele Ressourcen vom Körper.
Fazit
Das Kreuzheben ist, in abgewandelter Form, eine der ältesten Kraftübungen überhaupt. Schon in der Antike haben sich Athleten darin gemessen, schwere Dinge vom Boden aufzuheben.
Das kann durchaus ein legitimer Selbstzweck sein. Wer gerne hohe Gewichte bewegen möchte, wird im Kreuzheben seine Erfüllung finden und bei guter Ausbildung lässt sich die Übung bis ins hohe Alter verletzungsfrei bewältigen.
Es ist aber etwas anderes zu behaupten, es gäbe keine Alternative zum Kreuzheben. Hier muss ich Robert Oberst eindeutig Recht geben: die meisten sportlichen Zielsetzungen, Muskelaufbau und auch Krafttraining, lassen sich ohne Deadlifts gleich gut, wenn nicht besser erreichen.
Wer nicht gezielt für das Kreuzheben trainiert, sondern lediglich stärker und muskulöser werden möchte, kann auch ohne das aufwändige Techniktraining für die Übung erfolgreich sein. Je nach Ausrichtung des Trainings muss lediglich ein wenig mehr Zeit investiert werden.
FAQ
Diese Ausrüstung verwende ich zuhause
Schlingentrainer*: Mein ältester Begleiter beim Training zuhause, ich verwende ihn seit über 10 Jahren. Der Schlingentrainer ermöglicht mir ein Ganzkörper-Workout mit dem eigenen Körpergewicht – je nach Abstand zum Ankerpunkt kann man die Belastung perfekt für große oder kleine Muskelgruppen dosieren. Mit Türanker und Karabiner kann das Gerät Indoor und Outdoor eingesetzt werden und passt dabei locker in das Bodenfach eines Rucksacks.
Widerstandsbänder*: Die Widerstandsbänder nutze ich seit zwei Jahren und ersetze damit die meisten Übungen mit freien Hanteln. Der ansteigende Widerstand der Bänder ermöglicht nicht nur ein gelenkschonendes Muskelaufbautraining, sondern bietet, im Gegensatz zu freien Hanteln, hohen Widerstand bei maximaler Kontraktion (z. B. Schulterdrücken, Trizepsdrücken).
Das Grundset habe ich durch ein superstarkes Band* (bis 113 kg Zugwiderstand!) für Kniebeuge, Lat- und Wadentraining ergänzt.
Klimmzug/Dip-Kombination*: Das Gerät von OneTwoFit hängt seit gut einem Jahr an meiner Wand und hält meine 94 kg locker aus. So kann ich die beiden effektivsten Übungen mit dem eigenen Körpergewicht jederzeit zuhause trainieren, zusätzlich sind Leg Raises möglich. Die Gummigriffe für den Klimmzug habe ich durch Hockey-Griffband* ersetzt. Hält bombenfest.