Klimmzüge: enger Griff als beste Alternative?

Lange gehörten Klimmzüge mit engem Griff und weitem Griff in mein Trainingsprogramm, schlicht, weil ich mich für keine Alternative entscheiden konnte.

Das ist ziemlich inkonsequent. Zumal es andere interessante Übungen für den Latissimus gibt und ich nicht den ganzen Trainingstag mit Griffvarianten von Klimmzügen verbringen möchte. 

Anstatt aus Verzweiflung die ganze Breite der Pull-up (Chin-up) Variationen abzudecken, kann man aber auch einfach die Sportwissenschaft fragen. Um die beste Antwort zu bekommen, muss man allerdings eine ziemlich gute Frage stellen. 

Klimmzüge mit engem und weitem Griff

Enger und weiter Griff bei Klimmzügen sind grundsätzlich der gleichen Zielsetzung unterzuordnen. Sie trainieren nämlich, allerdings in unterschiedlichen Anteilen, die gleichen Muskeln:

Diese Muskeln trainieren Klimmzüge

  1. Breiter Rückenmuskel (Musculus latissimus dorsi).
  2. Oberarmbeuger (Musculus biceps brachii).
  3. Oberer Rücken (Musculus teres major).
  4. Brustmuskulatur (Musculus pectoralis major).
  5. Kapuzenmuskel (M. Trapezius).
  6. Schultermuskulatur (M deltoideus).
breiter Griff Klimmzüge

Wie weit ist ein enger Griff bei Klimmzügen?

Nimm dir einen Moment Zeit zu rekapitulieren, wie du Klimmzüge mit engem Griff ausführst, beziehungsweise ausführen würdest, wenn du sie noch nicht machst. 

Bei vielen entsteht hier ein Bild, das nicht unähnlich dem engen Bankdrücken ist oder zum Beispiel dem Rudern mit engem Griff. Oftmals wird diese Variante in Kombination mit dem Kammgriff (Untergriff) verwendet, um den Bizeps mehr zu involvieren. Die Handflächen zeigen dann zum Körper. 

Technisch (anatomisch) gesehen ist ein enger Griff bei Klimmzügen alles, was enger als schulterbreit ist. Da die Arme an der Schulter ihren Ursprung haben, können wir den schulterbreiten Griff als Normalstellung, weder eng noch breit, definieren. 

So wirkt sich die Griffweite bei Klimmzügen aus

Wenn es keine vernünftigen Argumente dagegen gibt, sollte immer die Griffbreite gewählt werden, welche die größte Bewegungslänge zulässt. Mit einer möglichst langen Bewegung können wir im Zweifelsfall alle Anteile des jeweiligen Zielmuskels trainieren. 

Im Zweifelsfall ist immer die Übungsvariante mit der größten Range of Motion zu wählen

Je weiter die Hände bei Klimmzügen nach außen wandern, desto kürzer wird die Bewegung. Fasst man extrem weit, kann man sich nur noch wenige Zentimeter nach oben bewegen. 

Ein extrem weiter Griff eignet sich also eigentlich nur, wenn man vor seiner Angebeteten mit möglichst vielen Klimmzügen angeben will, denn bei verkürzter ROM ist natürlich auch der Energieaufwand geringer. 

Aus dem selben Grund wählen professionelle Powerlifter beim Bankdrücken einen sehr weiten Griff

Gleiches gilt übrigens für einen sehr engen Griff, bei Klimmzügen wie auch beim Bankdrücken. Durch die anatomisch ungünstige Position wird die Range of Motion verkürzt wodurch die Übung weniger funktionell ist. Der Grund dafür liegt auf der Hand. 

1119 Muscles that Move the Humerus b OpenStax College / CC BY

Eine Funktion des m. latissimus dorsi ist die Extension im Schultergelenk und zwar anteilig umso mehr, je weiter der Arm zum Körper und bestenfalls hinter den Körper (Retroversion) geführt wird. Ist der Griff bei Klimmzügen sehr eng, müssen die Arme aber vor dem Körper bleiben (das gilt für alle, die nicht Mitglied des Chinesischen Staatszirkus sind).

Ergo: ein extrem enger Griff bei Klimmzügen verkürzt die Range of Motion genauso, wie ein extrem weiter Griff. Beides ist daher nicht die optimale Lösung für Kraft- und Muskelaufbautraining des breiten Rückenmuskels. 

Die optimale Griffweite für Klimmzüge

Konsequenterweise konnte in Studien festgestellt werden, dass bei Klimmzügen die Griffweite per se keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Aktivität des Latissimus dorsi hat, abgesehen von dem Einfluss auf die Bewegungslänge: 

Lehman (11) found no significant difference in the muscle activation of the biceps and the latissimus dorsi between the narrow supinated grip (Figure 2) and wide pronated grip (Figure 3) lat pull-downs. … It is worth noting that the differences observed between grip widths may be a result of the differences in range of motion which occur between a narrow and wide grip, rather than the actual positioning of the hands.
HTTPS://JOURNALS.LWW.COM/NSCA-SCJ/FULLTEXT/2013/02000/THE_EFFECT_OF_GRIP_WIDTH_AND_HAND_ORIENTATION_ON.12.ASPX

Zu empfehlen ist daher für Klimmzüge ein Griff, der weit genug ist, damit die Arme nicht vor, sondern neben dem Körper sind, aber eng genug, dass die Range of Motion nicht verringert wird. Die Hände sollten also etwas breiter als schulterbreit angesetzt werden. 

Das hat das oben erwähnte Fitnessmodel übrigens richtig gemacht. Es ist nur zu befürchten, dass dies entweder aus versehen passiert ist oder den Gegebenheiten im Gym geschuldet war, denn es sollten ja enge Klimmzüge propagiert werden. 

Übrigens findet sich auch hier eine Parallele zum Bankdrücken. Der ideale Griff beim Bankdrücken sorgt dafür, dass die Unterarme in der untersten Position der Bewegung senkrecht stehen und genau so sollte es in der obersten Position der Klimmzüge sein.  

Die Bizepsenthusiasten mögen hier einwerfen, dass das aber auch wirklich nur für den breiten Rückenmuskel gilt und für höhere Aktivität der Arme nach wie vor ein enger Griff zu bevorzugen ist. 

Das ist aber nicht ganz richtig. 

Klimmzüge mit Obergriff oder Untergriff?

Wenn überhaupt, ist die höhere Bizepsaktivität dem bei engen Klimmzügen zumeist verwendeten Untergriff zuzuschreiben. Die Supination der Unterarme ist nämlich eine Hauptaufgabe des m. biceps brachii. 

“A supinated grip, during pull-ups, tends to result in an increase in biceps brachii activity; …”
https://journals.lww.com/nsca-scj/fulltext/2013/02000/the_effect_of_grip_width_and_hand_orientation_on.12.aspx

Selbst wenn dem so ist, wäre nach wie vor ein Untergriff mit möglichst großer ROM (wie oben beschrieben) die Ideallösung, denn Studien konnten keine höhere Aktivität des Bizeps in Bezug auf die Griffweite nachweisen. 

Anders hingegen beim Latissimus. 

Zumindest beim Latzug zeigte die Verwendung des Obergriffs mehr Aktivität des m. latissimus dorsi. Für die Klimmzüge ließ sich das Ergebnis nicht statistisch relevant reproduzieren (interessanterweise schnitten die 360° Perfect Pull-up – Griffe am besten ab). Jedoch ist generell der Impact auf den Rücken (in der Studie: Infraspinatus und unterer Anteil des Trapezmuskels) größer, wenn die Hände proniert sind. 

Angesichts dieser Ergebnisse würde meine Empfehlung für optimales Lat-Training in Richtung des Obergriffs gehen oder eben einen rotierenden Griff zu verwenden, falls verfügbar.

P.S.: Die in der Studie verwendeten Perfect Pull – Griffe scheinen nach meinen Recherchen eher Teleshop-Qualität zu haben. Wer ordentliche Griffe sucht, die man vielfältig im Fitnessstudio und beim Calisthenics einsetzen kann, sollte sich mal dieses Modell aus dem schönen Tirol ansehen. 

Die Griffe sind bis 360kg(!) belastbar und sind bei guter Pflege wahrscheinlich lebenslange Begleiter deiner Fitnesskarriere. 

Fazit

Wer die Übung als Teil des Rückentrainings einsetzt, sollte tendenziell die Hände in Pronation ansetzen und weder einen übertrieben weiten oder engen Griff bei Klimmzügen verwenden. Ideal ist der Griff, wenn die Unterarme am obersten Punkt der Bewegung vertikal ausgerichtet sind. 

Der Bizeps profitiert ebenfalls nicht von besonders weiten oder schmalen Griffen, allerdings zeigt er geringfügig mehr Aktivität beim Untergriff. 

Klimmzugvarianten können nach wie vor sinnvoll sein, vor allem wenn athletisches Training in Richtung Calisthenics das Ziel ist. Varianten mit Zusatzgewicht sind für das Krafttraining besonders sinnvoll. 

Wer sich auf Muskelaufbau fokussiert, wird aber von einer größeren Übungsauswahl wahrscheinlich mehr Erfolg für die investierte Zeit bekommen. Statt Klimmzugvarianten sollte dann lediglich die beschriebene Idealform ausgeführt werden und das restliche Rückentrainingsprogramm mit anderen Angriffswinkeln gefüllt werden. Hier bieten sich zum Beispiel Ruderübungen in den verschiedenen Positionen und Überzüge an.

FAQ

Danny T. Schneider

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