Proteinshake vor oder nach dem Training?

Bis zu 2.2 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag können für Sportler sinnvoll sein – sagt die Wissenschaft. Wer die Menge Eiweiß in den Körper bringen will, muss oft mit Nahrungsergänzungsmitteln nachhelfen. 

Wie das funktioniert und ob man seinen Proteinshake vor oder nach dem Training einnehmen sollte, erfährst du hier. 

Sollte man überhaupt Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen?

Das ist eine der am häufigsten gestellten Fragen im Fitnessstudio. Junge und manchmal auch ältere Menschen, die Muskeln aufbauen wollen, sind sich meist bewusst, dass das Ziel nur erreicht werden kann, wenn der entsprechende Baustoff ausreichend vorhanden ist. 

Proteinshake vor oder nach dem Training – oder vielleicht lieber gar nicht?

Vor der Einnahme eines Eiweißpulvers schrecken aber viele zurück, mit der Begründung, sich doch lieber natürlich ernähren zu wollen. Das ist ein legitimer und unterstützenswerter Ansatz. Allerdings frage ich mich, wie genau hier “natürliche Ernährung” definiert wird. 

Nach dieser Definition dürfte es ein Problem sein, Alltagsprodukte wie Weizenmehl zu verwenden (was man ohnehin selten tun sollte). Mehl ist ein verarbeitetes Nahrungsmittel, das am Ende, genau wie Proteinpulver, auf Transportbändern landet und verpackt wird. 

Dadurch, dass schon die Urgroßmutter Mehl verwendet hat, wird es kein natürliches Nahrungsmittel. Diese Definition ist so nicht haltbar.

vor oder nach dem Training Proteine

Das vorausgeschickt, halte ich das Bestreben, sich von naturbelassenen Lebensmitteln zu ernähren, für richtig und unterstützenswert. Wann immer möglich, sollte man auf natürliche Nahrungsquellen zurückgreifen. 

Wer ganz am Anfang seines Trainings steht, hat seine Ernährung aber meist noch nicht so sehr im Griff. Hier darf man guten Gewissens mit Nahrungsergänzungsmitteln substituieren.

Das bewirkt der Proteinshake im Körper

Bevor man die Frage klären kann, ob der Proteinshake vor oder nach dem Training einzunehmen ist, muss man sich zunächst mal im Klaren darüber sein, was dieser eigentlich genau bewirken soll. 

Die empfohlene Einnahmemenge von Protein bezieht sich in letzter Konsequenz immer auf die darin enthaltene Menge an essenziellen Aminosäuren. Deswegen werden Ernährungsempfehlungen fast immer, wie auch hier, auf tierisches Protein bezogen. Tierisches Protein enthält ein Aminosäurenprofil, welches der Skelettmuskulatur des Menschen sehr ähnlich ist. 

Essenzielle Aminosäuren

Essenzielle Aminosäuren können vom Körper nicht selbst gebildet werden, müssen also mit der Nahrung zugeführt werden. Geschieht dies, ist der Körper in der Lage, körpereigenes Protein herzustellen.


Für den Kraftsportler soll das zugeführte Nahrungseiweiß vor allem eines tun: ausreichend Material für die Muskelproteinsynthese (MPS) bereitstellen, um den Muskel nach dem Training aufzubauen. 

Es gibt zu dem Themenkomplex relativ genaue Studien, die summa sumarum eine maximale Aufnahmemenge pro Einnahmezeitpunkt von 25g festgestellt haben. Darüber hinaus konnte im Sinne einer Muskelproteinsynthese kein zusätzlicher Nutzen festgestellt werden. 

Das heißt nicht, dass damit der maximale anabole Effekt ausgereizt ist!

Die proteinreichen Vorgänge im menschlichen Körper sind komplex und erschöpfen sich nicht, wie einige “Ernährungsexperten” in der Fitnessbranche gerne glauben machen, in der MPS. 

Proteine vor oder nach Training

Selbst, wenn man nur das Muskelprotein im Auge behalten wollte, müsste zumindest die durchgehend stattfindende Aufspaltung von Muskelprotein (MPB) in die Rechnung einbezogen werden.

Muskelproteinsynthese (MPS) – Muskelproteinaufspaltung (MPB) = Netto-Muskelproteinbilanz (NBIL) 

Darüber hinaus gibt es natürlich die ganz normale Proteinsynthese (PS). Die PS ist schnell erklärt, schließlich gibt es im Körper noch andere Stellen, die durchgehend nach Aminosäuren verlangen und dem Muskel die Ressourcen streitig machen können. 

Idealerweise signalisiert die aufgenommene Menge dem Organismus, dass dieser Prozess auf ein Minimum zurückgefahren werden kann. Wo genau diese Grenze liegt, ist bis dato unklar. Sie scheint aber näher an 40 Gramm pro Aufnahmezeitpunkt zu liegen. 

Der richtige Einnahmezeitpunkt für Protein

Bis hierhin ist also festzuhalten, dass die proteinabhängigen Vorgänge im Körper sich keinesfalls auf das Training beschränken und daher eine durchgehende Versorgung mit Proteinen für eine maximale anabole Reaktion des Körpers angebracht scheint. 

Meine Empfehlung für Einsteiger im Kraftsport wäre, mit einer Aufnahmemenge von 1.6g/kg Körpergewicht pro Tag zu beginnen und diese möglichst gleichmäßig über den Tag zu verteilen. Das schließt natürlich reguläre, proteinreiche Mahlzeiten mit ein. 

Muskelproteinsynthese
Die MPS erreicht ca 90 min. nach Einnahme den höchsten Punkt. Für ca. 4 Std. nach Einnahme ist der Körper refraktär.

Studien zeigen, dass die Verwertung des zugeführten Proteins nach 2 bis 3 Stunden weitgehend abgeschlossen ist. Zudem ist der Muskel für 3 bis 4 Stunden nach Aufnahme einer ausreichenden Menge Protein (mutmaßlich >=20g) für weitere Pakete dieser Art nicht empfänglich (refraktär).

Rechnen wir mit einer Wachzeit von circa 16 Stunden, wären also 4 Mahlzeiten à 0.4g/kg im gleichmäßigen Abstand von 4 Stunden ideal. 

Kürzere Intervalle können sinnvoll sein.

Da dies in der Praxis nicht immer einzuhalten ist, würde ich den Proteinshake zwischen die Mahlzeiten legen, an den Punkt, wo sich die größte Lücke zwischen den Mahlzeiten ergibt. Wo dieser Punkt genau liegt, kann nur individuell festgelegt werden. 

Proteinverteilung über den Tag
Der Proteinshake sollte da eingenommen werden, wo sich im jeweiligen Tagesverlauf die größte Lücke ergibt.

Also: Proteinshake vor oder nach dem Training?

Der Zeitpunkt des Trainings am jeweiligen Tag bestimmt damit auch, ob der Proteinshake vor oder nach dem Training eingenommen wird. Damit will ich mich aber nicht um eine Antwort drücken. Denn die eigentliche Frage ist ja: können wir von einer Einnahme des Proteinshake vor dem Training eventuell profitieren?

Antwort: höchstwahrscheinlich nicht. 

Während und kurz nach (Latenzzeit) einer muskulären Kraftanstrengung ist die Muskelproteinsynthese gestoppt. Eine Reparatur und damit verbundene Hypertrophie des Gewebes wird vom Körper erst eingeleitet, wenn die geforderte Kraftleistung definitiv vorüber ist. 

Das gilt umso mehr, je härter und länger das Training ist. 

Bedenkt man, dass die myofibrilläre MPS circa 30 Minuten nach Einnahme eines Proteinshakes richtig startet und sich innerhalb der nächsten 60 Minuten start steigert, bevor der Wert wieder rückläufig ist, könnte man argumentieren, dass der optimale Einnahmezeitpunkt 30 Minuten vor Trainingsende liegt. 

Dem stehen allerdings zwei Punkte entgegen. 

Erstens ist nach wie vor die Latenzzeit einzurechnen, die nur abhängig von Körperbau und Art des Trainings einigermaßen genau berechnet werden kann. Zweitens ist das oftmals postulierte anabole Fenster inzwischen weitgehend in das Reich der Mythen und Sagen verbannt worden. Drittens stehen dem Körper für den Beginn der MPS ausreichend Aminosäuren zur Verfügung, wenn über den Tag verteilt genug Protein zugeführt wurde. 

Bild Ist Eiweiß ungesund

Den Proteinshake vor oder während des Trainings einzunehmen, zeitigt also keine positiven Effekte. Auch, wer seinen Drink nicht direkt nach dem Training parat hat, muss nicht fürchten, dass die Effekte des Trainings verloren gehen. Die durch das Training verursachte Sensitivität für Aminosäuren im Muskel hält für mindestens 24 Stunden an. 

Die endgültige Antwort muss also lauten, dass der genaue Aufnahmezeitpunkt des Proteinshakes vor oder nach dem Training für den anabolen Effekt weitgehend irrelevant ist. 

Viel entscheidender für eine durchgehende Versorgung aller proteinbasierten Prozesse im Körper und damit für den optimalen Effekt ist eine möglichst gleichmäßige Verteilung des aufgenommenen Proteins über den gesamten Tagesablauf. 

Zu diesem Zweck würde ich immer dann mit Proteinshakes substituieren, wenn sich längere Pausen zwischen den Mahlzeiten ergeben. Sollte die Dosis erhöht werden, ist es zielführend, einen zusätzlichen Aufnahmezeitpunkt zu finden. Also nicht einfach die doppelte Menge in den Proteinshake packen, sondern zwei Shakes mit gleicher Menge vorbereiten.