Ist Schulterdrücken mit Kurzhanteln die beste Übung für den Deltoideus? Schon möglich, immerhin können Muskeln erreicht werden, die in der Maschine und sogar beim Military Press inaktiv bleiben.
Damit das funktioniert, muss das Schulterdrücken mit Kurzhanteln aber auch korrekt ausgeführt werden.
Unterschied zwischen Schulterdrücken und Military Press
An anderer Stelle habe ich bereits ein bisschen herausfordernd Military Press stehend und sitzend verglichen. Natürlich ist klar:
Der Military Press wird immer stehend und immer mit der Langhantel ausgeführt.
Schulterdrücken kann hingegen stehend oder sitzend ausgeführt werden, es werden aber in der Regel Kurzhanteln verwendet. Die Mehrzahl der Sportler in Fitnessstudios entscheidet sich für die sitzende Variante.
Ob das eine gute Idee ist, klären wir später noch.
Mit der Kurzhantel entsteht beim Schulterdrücken natürlich auch ein anderer Arbeitsweg. Die Langhantel startet auf der Brust, involviert in der Startphase den oberen Brustmuskel und vor allem die vordere Schulter. Erst, wenn die Hantel am Kopf vorbei ist, befindet sie sich in der Mitte der Längsachse des Körpers.
Anders geht’s ja auch nicht.
Kurzhantel-Schulterdrücken startet hingegen bereits in der Körperachse, dafür einige Zentimeter höher, üblicherweise auf oder nahe den Schultern. Es fehlt schlicht die Stabilität um, wie mit der Langhantel, vor dem Körper zu arbeiten.
Welche Muskeln werden beim Schulterdrücken trainiert?
Schulterdrücken trainiert mehr Anteile des Schultermuskels, insbesondere den seitlichen Anteil, Pars acromialis.
Auch weil dieser Anteil des Schultermuskels gefiedert ist, können wir davon ausgehen, dass er durch leichte Variationen des Arbeitsweges der Hantel noch mal in unterschiedlichen Subregionen zu trainieren ist.
Die relative Instabilität des Schulterdrückens mit Kurzhanteln könnte also tatsächlich ein Vorteil sein, da leichte Abweichungen in der Bewegung unterschiedliche Regionen aktivieren.
Bei korrekter Körperhaltung ist der Brustmuskel hingegen wenig bis gar nicht involviert.
Ausführung: Kurzhanteldrücken für die Schulter
Position
Sitze gerade auf einer Hantelbank oder auf einem anderen stabilen Untergrund. Wenn die Lehne klappbar ist, sollte der untere Rücken anliegen. Brust raus, aber nicht den Körper nach hinten überstrecken.
Die beiden Kurzhanteln sind jeweils seitlich parallel zueinander und auf Schulterhöhe. Die Handinnenfläche zeigt nach vorne.
Die Beine sollten breit und fest aufgestellt sein, um für zusätzliche Stabilität zu sorgen.
Ausführung
Führe die Hanteln zunächst vertikal nach oben und dann zusammen; die Hantel dürfen sich kurz berühren.
Das Zusammenführen der Kurzhanteln beim Schulterdrücken erhöht nicht die Effektivität der Übung, sondern allein die Stabilität. Wer dazu fähig ist, kann die Hanteln also auch einfach nur gerade nach oben führen und gegebenenfalls sogar von dieser Instabilität profitieren (s. oben).
Der Weg nach unten (exzentrisch) sollte mindestens 1,5x so lange dauern, wie der Weg nach oben (konzentrisch). Der untere Wendepunkt ist erreicht, wenn die Hände etwa auf Höhe der Nase sind und die Ellenbogen leicht unterhalb der Schulter.
Weitere Tipps zur Ausführung Schulterdrücken
Ich rate davon ab, den Rücken beim Schulterdrücken vollständig an die Hantelbank anzulehnen.
Zum einen lassen sich viele Bänke gar nicht ganz gerade aufstellen, zum anderen wird die Stabilität von außen oft genutzt, um den Oberkörper massiv zu überstrecken und den Brustmuskel mit ins Spiel zu bringen. Oftmals merkt der Sportler das selbst gar nicht.
Goldene Regel: wenn der Hintern nach vorne rutscht und die Lendenwirbelsäule keinen Kontakt mehr zum Polster hat, dann läuft etwas falsch.
Wie tief runter beim Schulterdrücken (bis zur Brust)?
In vielen Videos wird das Herabsenken der Kurzhanteln bis auf die Schultern propagiert. Allerdings haben viele der gezeigten Personen auch Schultern, die ein tiefes Herabsenken gar nicht zulassen. Oftmals weist das Ellenbogengelenk kaum einen Winkel unterhalb von 90° auf.
Für die meisten Einsteiger ist es nicht notwendig, die Hantel beim Schulterdrücken wieder vollständig auf die Schulter abzusenken. Man bringt sich hier schnell in eine Position, in der das Gewicht nicht mehr bewegt werden kann und der Satz abgebrochen werden muss.
Hingegen kann es sinnvoll sein, Teilwiederholungen im oberen Anteil der Übung zu machen, wenn keine vollständigen Wiederholungen mehr möglich sind.
Schulterdrücken stehend?
Aus den genannten Gründen halte ich das sitzende Schulterdrücken nicht unbedingt für einen Vorteil.
Sicher ist, bei schweren Übungen im kleinen Wiederholungsbereich ist es bequemer und sicherer im Sitzen zu arbeiten. Jenseits der 30 kg Kurzhanteln wird es auch für erfahrene Sportler schwer, die Kurzhanteln überhaupt in Position zu bringen.
Dafür entledigt man sich im Stehen der meisten Tendenzen zu Fehlhaltungen und Meidbewegungen und kann ganz nebenbei noch an seiner Rumpfstabilität arbeiten.
Ein guter Kompromiss wäre eine Kombination aus schweren, sitzenden Wiederholungen mit hohem Gewicht und der stehenden Variante mit kleinerem Gewicht und höherer Wiederholungszahl.
Hinweis: Der “open grip”, den Dr. Stoppani hier empfiehlt, ist nur für erfahrene Sportler geeignet.
Schulterdrücken an der Wand
Um die Koordinationsarbeit zu vereinfachen und mehr Stabilität zu erreichen, führen manche Sportler das Schulterdrücken zuhause auch an der Wand aus.
Nun hat die Wand zwar den Vorteil, dass sie tatsächlich gerade ist (meistens), allerdings ist diese selten mit der Sitzfläche verbunden. Hieraus könnten sich Probleme ergeben, die eventuell auch zu Sportunfällen führen.
Mein Tipp: Lieber sollte man die Koordination in der freien Bewegung schulen. Zum Kraftsport und auch zum Muskelaufbau gehört nun mal ein gewisses Körpergefühl, für das die Wand im Rücken nur eine weitere Krücke ist.
Welches Anfangsgewicht?
Die Ausführungsart und das Trainingsziel bestimmen das Trainingsgewicht.
Grundsätzlich ist Einsteigern beim Schulterdrücken aber zu einem geringeren Anfangsgewicht zu raten, dass etwa 10 bis 15 mal bewegt werden kann.
Zum einen, weil die koordinative Herausforderung einer freien Übung oftmals größer ist, als von den Sportlern angenommen. Ich habe Kurzhanteln beim Schulterdrücken in alle möglichen Richtungen wandern sehen, auch in meine.
Zum anderen ist es durchaus möglich, sich beim Schulterdrücken in eine Zwangslage zu bringen. Eine der wenigen Sportverletzungen, die ich bisher live gesehen habe, entstand genau bei dieser Übung.
Meist arbeiten Anfänger mit der Kurzhantel zu weit vor dem Körper. Manchmal wandert die Hand aber auch nach hinten und der Ellenbogen nach vorne, wenn das Gewicht zu schwer wird.
Das Öffnen der Hand löst das Problem jetzt nicht mehr, da die Hantel in die Handfläche fällt, den Arm nach hinten überstreckt und so den Schultermuskel schädigen kann.
Die Übung ist nicht per se gefährlich, aber ein wenig vorsichtig sollte man am Anfang schon sein.
Schulterdrücken vor oder hinter dem Kopf?
Aus dem genannten Grund würde ich absolut davon abraten, die Kurzhanteln beim Schulterdrücken in welcher Form auch immer hinter den Körper bringen zu wollen, etwa, um mehr den Trapezmuskel zu involvieren.
Erstens funktioniert der Trapezmuskel so nicht.
Zweitens kann die Sache wirklich unangenehm enden. Vor dem Kopf zu trainieren ist zwar ebenso sinnlos, es sei denn, man möchte den vorderen Schultermuskel mehr belasten, aber im Zweifelsfall kann man die Hantel einfach loslassen.
Im Idealfall bewegen sich die Hanteln vertikal in Verlängerung der Schulter, beziehungsweise leicht nach vorne versetzt nach oben.
Bankdrücken und Schulterdrücken an einem Tag?
Bankdrücken und Schulterdrücken am selben Trainingstag abzuarbeiten, scheint mir nur in wenigen Fällen sinnvoll.
Wird das Bankdrücken zuerst ausgeführt, kommt man mit einem vorerschöpften vorderen Schultermuskel zum Schulterdrücken. Das kann nicht nur koordinativ schwierig werden, es wird im Zweifelsfall auch dafür sorgen, dass der seitliche Schultermuskel nicht vollständig austrainiert werden kann, da der vordere Schultermuskel vorher zumacht.
Zumeist ist die seitliche Schulter aber ein Zielmuskel der Übung.
Andersherum wird die Sache nicht besser. Wird das Schulterdrücken zuerst ausgeführt, wird die Schulter schnell zum limitierenden Faktor des Bankdrückens und das ist in den meisten Fällen nicht gewollt. Bankdrücken steht bei allen Sportlern, die ich kenne, im Brustprogramm.
Schmerzen beim Schulterdrücken
Schmerzen beim Schulterdrücken treten so häufig auf, dass man sie fast als Volkskrankheit bezeichnen könnte. Wenn mehr Menschen Schulterdrücken ausführen würden.
Die Ursache ist oft, simpel zusammengefasst, eine Dysbalance zwischen Innenrotatoren und Außenrotatoren.
Zu den Außenrotatoren zählen der Infraspinatus, Supraspinatus, Teres minor und der hintere Schultermuskel. Zu der Gruppe der Innenrotatoren zählen der vordere Schultermuskel, der Teres Major, der Brustmuskel und der Latissimus.
Jetzt kann ein jeder mal in sich gehen und sich fragen, welche Rotatoren in dem persönlichen Training mehr Aufmerksamkeit bekommen.
In den allermeisten Fällen gibt es, nicht nur im Sport, ein starkes Missverhältnis zugunsten der Innenrotatoren, woraus sich eine Fehlstellung im Schultergelenk generiert. Diese macht sich oft schon bemerkbar, wenn der abduzierte Arm (Ellenbogen auf Schulterhöhe) außenrotiert wird (Hand senkrecht über und hinter den Ellenbogen heben).
Es gibt sinnvolle Übungen, die hier Abhilfe schaffen können. Oft hilft es auch schon, die Außenrotatoren vor dem Schulterdrücken zu aktivieren, zum Beispiel mit einem Widerstandsband.
Keinesfalls sollte gegen den Schmerz im Schultergelenk antrainiert werden. Im Zweifelsfall muss die Übung aus dem Trainingsplan gestrichen werden, bis die Dysbalance beseitigt ist.
Fazit
Schulterdrücken gehört zu den Top-Übungen für den vorderen und seitlichen Schulterbereich und sollte im Rahmen des Schulterprogramms praktiziert werden.
Im Gegensatz zu schweren, geführten Übungen lässt sich mit dem Schulterdrücken nicht nur die Koordination der beteiligten Muskeln verbessern, man erreicht mutmaßlich auch Muskelanteile, die in geführten Übungen wenig aktiviert werden.
Damit das passiert, sollte Schulterdrücken mit minimaler Unterstützung ausgeführt werden. Sitzend ist die Lehne der Hantelbank so einzustellen, dass lediglich die Lendenwirbelsäule gestützt wird, wer kann, sollte die Übung auch stehend praktizieren.
Idealerweise wird das Schulterdrücken als Teil des Schulterprogramms unabhängig vom Brustmuskeltraining absolviert.