Kniebeugen: diese Muskeln werden beansprucht

Squats sind eine der beliebtesten Übungen für die untere Körperhälfte. Welche Muskeln bei Kniebeugen beansprucht werden und inwieweit das überhaupt zum Muskelaufbau oder Krafttraining beitragen kann, scheint aber nicht immer klar zu sein. 

Das wollen wir heute ändern. 

Aus einschlägigen Studien zu dem Thema erarbeiten wir uns kurz und prägnant den Nutzen der Kniebeugen, welche Muskeln beansprucht werden und wo die Kniebeuge im Trainingsplan ihren Platz hat. 

Muskelbeanspruchung bei schweren Kniebeugen

Bild Power Rack

Als Grundlage nehme ich den “loaded squat”, es geht also nicht um Turnvater Jahns Kniebeuge mit ausgestreckten Armen – auch wenn manch einer hiervon schon profitieren würde. 

Die schwere Kniebeuge ist eine mehrgelenkige Übung mit einer offenen kinetischen Kette. Letzteres bedeutet, dass mehr Stabilisierungsarbeit geleistet werden muss und die allgemein als Stützmuskulatur bezeichneten Muskeln höher beansprucht werden. 

Unter diesem Begriff sind hier vor allem die Adduktoren und der Rückenstrecker mit Schwerpunkt auf der Lendenwirbelsäule zusammenzufassen. Es ist leicht nachvollziehbar, warum diese Muskeln bei Kniebeugen höher beansprucht werden als zum Beispiel in der Beinpresse. Im geringeren Maß sind auch die Abduktoren beteiligt. 

Da es sich um eine mehrgelenkige Übung handelt, die sowohl Knie- als auch Hüftstreckung erfordert, ist in der konzentrischen Phase sowohl der Quadrizeps als auch der Gluteus involviert. Wiederum stabilisierend, vor allem in der exzentrischen Phase, wirkt die ischiocrurale Muskulatur. Das wäre dann also unser vorläufiges Ergebnis.

Diese Muskeln beansprucht Kniebeugen:

  • Rückenstrecker (m. erector spinae)
  • Adduktoren
  • Abduktoren
  • Gluteus
  • Ischiocrurale (Musculus biceps femoris, Musculus semitendinosus, Musculus semimembranosus)
  • Quadrizeps (Musculus rectus femoris, Musculus vastus intermedius, Musculus vastus lateralis, Musculus vastus medialis)

Diese Muskeln werden mit Kniebeugen trainiert

Das ist nur scheinbar dieselbe Überschrift wie oben. In Wahrheit geht es um einen bedeutenden Unterschied, der gerne mal übersehen wird. Vor allem, bei den vermeintlichen “Alleskönnern” unter den Muskelaufbau- und Kraftübungen und besonders gerne im Internet. 

Wenn wir von beanspruchter Muskulatur bei Kniebeugen sprechen, dann ist das nicht gleichzusetzen mit einem relevanten Trainingsreiz für die Zielmuskulatur. 

Das gilt sowohl für Muskelaufbau als auch für Krafttraining. Wäre dem nicht so, müssten Kraftsportler keine Unterstützungsübungen in die Trainingszyklen einbauen und Bodybuilder könnten den ganzen Körper mit drei Übungen trainieren. 

Schaut man sich verschiedene Studien an, lichtet sich das Feld der Muskeln, die als Zielmuskulatur der Squats in Frage kommen, relativ schnell.

Quadrizeps

Der Name verrät es bereits, der Quadrizeps besteht aus vier Muskeln, die alle über das Kniegelenk ziehen. Ein Muskel des Quartetts, M. rectus femoris, ist zweigelenkig und wirkt zusammen mit dem M. Iliopsoas in der Hüftbeugung. 

Schaut man sich die Biomechanik während der Übung an, wird schnell klar, dass dieser Muskel während der Kniebeuge kaum ausreichend belastet werden kann. Immerhin befinden wir uns in der konzentrischen Phase der Squats, hier treten bei weitem die höchsten Spannungen für den Quadrizeps auf, in der Hüftstreckung

Konsequenterweise konnte in einer Studie festgestellt werden, dass die drei eingelenkigen Muskeln, Vastus Lateralis, Vastus Medialis und Vastus Intermedius hohen, trainingswirksamen Belastungen ausgesetzt sind, letzterer allerdings deutlich höher bei Kniebeugen bis 90° (Oberschenkel parallel zum Boden). 

Hingegen konnte kein im Sinne des Muskelaufbaus wirksamer Trainingsreiz im Rectus Femoris festgestellt werden. Beim Half-Squat bis 90° waren die Werte leicht besser, wahrscheinlich aufgrund der isometrischen Spannung, aber immer noch nicht signifikant.

Gluteus Maximus

Zusammen mit den drei Muskeln des Quadrizeps wird der Gluteus bei Kniebeugen am meisten beansprucht und zwar trainingswirksam. 

Vor allem für Sportler, die sich schon einmal der schweren Kniebeuge ausgesetzt haben, dürfte das keine Überraschung sein. Der Gluteus ist ein starker Hüftstrecker und somit in hohem Maß involviert. 

Allerdings: die tiefe Kniebeuge, 140° Knieflexion, holt noch einmal deutlich mehr aus dem Muskel raus.

Im Unterschied übrigens, und das ist ein wenig überraschend, zum Quadrizeps. Sowohl die oben genannte Studie als auch mindestens eine weitere können keinen signifikanten Unterschied in der Aktivierung des Quadrizeps zwischen Half-Squat und Full-Squat feststellen. Der Vollständigkeit halber sei aber gesagt, dass der Studienaufbau wohl keine höheren Belastungen als 125% des Körpergewichts vorsah. 

Für den Gluteus ist das Ergebnis aber auch unter diesen Umständen relativ eindeutig: 

“… significant difference (p < 0.001*, p = 0.056**) in the relative contribution of the GM during the concentric phases among the partial- (16.9%*) [135°] , parallel- (28.0%**), and full-depth [45°] (35.4%*) squats.”
Journal of Strength and Conditioning Research: August 2002 – p 428-432

Die Mühe der tiefen Kniebeuge wird für den Po also nochmal mit etwa 26% mehr Effektivität belohnt. 

Ischiocrurale

Wer hingegen gehofft hatte, dass Kniebeugen die Muskeln der Oberschenkelrückseite ausreichend beanspruchen würde, um sich isoliertes Training sparen zu können, der wird durch die Studien eines Besseren belehrt. 

Allein der Semitendinosus konnte von der tiefen Kniebeuge leicht profitieren, allerdings nicht signifikant. 

Insgesamt ist für die Muskelgruppe der Beinbeuger festzuhalten, dass keiner der Muskeln durch Kniebeugen trainingswirksam beansprucht wird. Für mich ist das eines der besten Beispiele dafür, wie sehr Phrasen, die auf “mittrainieren” enden, in die Irre führen können. 

Sicher, die Ischiocrurale wird bei Squats beansprucht und auch mittrainiert, nur eben nicht in einem Maße, das es für die oben genannten Trainingsziele relevant wäre. 

Rückenstrecker und Adduktoren

Im Gegensatz zu den Hüftbeugern und zum Rectus Femoris gehört die Adduktorengruppe ganz eindeutig zu den Gewinnern der Kniebeuge

Mutmaßlich auch deswegen, weil der Adductor Magnus zu den Hüftstreckern gehört. Insgesamt profitieren die Adduktoren aber von der offenen kinetischen Kette bei Kniebeugen und der erhöhten Stabilisierungsarbeit, die damit einhergeht. 

Wer regelmäßig Squats trainiert, darf sich das also durchaus als Adduktorentraining aufschreiben. Es ist davon auszugehen, dass dieser Effekt noch zunimmt, wenn man die Übung einbeinig, beziehungsweise als Bulgarian Split Squat ausführt. 

Die Kniebeuge beanspruchen die Muskeln des Rückenstreckers in jedem Fall isometrisch. Es ist wenig überraschend, dass der Erector Spinae in der konzentrischen und exzentrischen Phase der Bewegung gleichbleibend hoch aktiviert wird. 

Das gilt umso mehr je tiefer die Hantelstange auf dem Rücken liegt und auch das ist nachvollziehbar: der Low Bar Squat nimmt Spannung vom Kniegelenk und transferiert einen Teil davon auf den Rückenstrecker, der den etwa 30° vorgebeugten Oberkörper halten muss. 

Trainierte Muskeln KniebeugenLediglich beanspruchte Muskeln Kniebeugen
GluteusM. rectus femoris
Quadrizeps (exkl. M. rectus femoris)Ischiocrurale
AdduktorenBauch
Rückenstrecker (je nach Ausführung)Oberer Rücken

Muskelbeanspruchung bei Kniebeugen im Vergleich

Wie bereits erwähnt, können Variationen der Kniebeuge das Profil der Muskelbeanspruchung verändern. Tiefe Squats fordern den Gluteus noch mehr, Low Bar Squats sorgen für mehr Aktivierung im Rückenstrecker und Bulgarian Split Squats können zusätzlich Druck auf die Adduktoren ausüben. 

Weiter Stand vs normaler Stand

Ein weiter Stand erhöht ausschließlich die Aktivität des Gluteus, dies aber signifikant. Der Effekt steigt mit zunehmender Belastung und wurde in der Studie am höchsten in dem Bereich von 70% 1RM gemessen.

Ebenso fördert eine verstärkte Außenrotation der Oberschenkel die Aktivierung des Gluteus und der Adduktoren. In der Konsequenz sprechen wir also von Sumo Squats.

Für “Heavy Lifter” scheint das wenig zielführend da im Sumo-Stand mutmaßlich das Gewicht deutlich gesenkt werden muss. Attraktiv ist diese Variante hingegen für alle, die den Po trainieren wollen und dabei möglichst wenig Aktivität in den Oberschenkeln haben wollen. 

Dennoch ein Wort der Warnung: ein weiter Stand schafft auch andere Anforderungen an die Stabilität. Bevor man die doppelte Schulterbreite als Standfläche wählt, sollten vor allem die Adduktoren gut aufgewärmt sein und die Technik sollte sitzen. 

Front Squat vs Back Squat

Ein auf den ersten Blick überraschendes Ergebnisse förderte eine Studie bereits 2009 zutage:

“The front squat was as effective as the back squat in terms of overall muscle recruitment, with significantly less compressive forces and extensor moments.”
Gullett, Jonathan C; Tillman, Mark D; Gutierrez, Gregory M; Chow, John W A Biomechanical Comparison of Back and Front Squats in Healthy Trained Individuals, Journal of Strength and Conditioning Research: January 2009 – Volume 23 – Issue 1 – p 284-292 doi: 10.1519/JSC.0b013e31818546bb

 Zu einem ähnlichen Ergebnis kam zuvor schon eine andere Studie

Es wäre also falsch zu behaupten, dass der Front Squat weniger effektiv Muskeln beansprucht als die Kniebeuge mit Langhantel auf dem Rücken. Zumindest dann, wenn für beide Varianten das gleiche Gewicht verwendet wird. 

Lediglich aufgrund der Tatsache, dass die Position der Hantelstange beim Back Squat höhere Gewichte zulässt, darf diese Variante als effektiver gelten. Dennoch: wer aus dem einen oder anderen Grund nur Front Squats trainieren kann, hat es definitiv nicht mit einer zweitklassigen Übung zu tun und kann alle Zielmuskeln, bei gleichem Gewicht, vergleichbar trainieren. 

Freie Kniebeuge vs Maschine

Getestet wurden in einer Studie die Unterschiede in der Muskelbeanspruchung zwischen Kniebeuge und Smith Machine. Das Ergebnis war relativ eindeutig. 

“EMG averaged over all muscles during the free weight squat was 43% higher when compared to the Smith machine squat”
Schwanbeck, Shane; Chilibeck, Philip D; Binsted, Gordon A Comparison of Free Weight Squat to Smith Machine Squat Using Electromyography, Journal of Strength and Conditioning Research: December 2009 – Volume 23 – Issue 9 – p 2588-2591 doi: 10.1519/JSC.0b013e3181b1b181 

Getestet wurde die gesamte Ober- und Unterschenkelmuskulatur sowie der gerade Bauchmuskel und der Rückenstrecker. Es ist zu erwarten, dass ein Test des Gluteus ähnliche Ergebnisse zutage gefördert hätte. 

Damit ist nicht automatisch gesagt, dass die freie Kniebeuge jeder Maschine vorzuziehen ist. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich, dass mit der Beinpresse aufgrund der sicheren Position sehr hohe Werte für den Gluteus und Teile des Beinstreckers zu erreichen sind. Natürlich zu ungunsten der in der Maschine weitgehend inaktiven Stützmuskulatur. 

Dies gesagt, scheint es mir ebenso offensichtlich, dass der Übertrag der freien Kniebeuge auf sportartspezifische Belastungen wesentlich höher ist als bei stationären Geräten. 

Fazit

Auch nach diesem kleinen Exkurs ist die variantenreiche Kniebeuge eine der Top-Übungen fürs Training zu Hause und im Fitnessstudio. Aufgrund des Belastungsprofils wäre sie auch meine Empfehlung für jeden, der die untere Körperhälfte effizient trainieren möchte. 

Nur als Allheilmittel taugt die Übung eben nicht. 

Zwar werden durch die Kniebeuge umfangreich Muskeln beansprucht, der Trainingseffekt ist für weite Teile davon aber überschaubar. Die schwere Kniebeuge ist weder für Kraftsportler, noch für Massesportler ausreichend für das Training der Oberschenkelrückseite und des zweigelenkigen Muskels des Quadrizeps. 

Hierfür müssen Unterstützungsübungen gefunden werden. 

Perfekt geeignet ist die Kniebeuge für das Training des Gluteus, große Teile des Quadrizeps und der Adduktoren. Sie ist damit nach wie vor ein wichtiger, aber keinesfalls unersetzlicher Bestandteil des Trainings für diesen Bereich. 

Danny T. Schneider